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29.05.2017

MUHYIDDIN IBN ARABI „RÛHU´L-KUDS“ Der Geist der Heiligkeit über die Beratung der Seele

ERSTER TEIL

Prolog

Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmers Sein ist die Macht und die Kraft

Und möge Gott unseren Herrn Muhammad und seine Familie segnen.

Vom schwachen Gottesdiener dem aufrichtigen Ratgeber, dem mitleidigen, dem befohlen ist, seinen Brüdern nachdrücklichen Rat zu geben, der darin der Strengste ist [gegenüber sich selbst] im Gegensatz zu den Leuten seiner Zeit, Muhammad ibn ‘Ali ibn Muhammad ibn ‘Arabi at-Tâ’i al-Hâtimi, möge Gott der Erhabene ihm Erfolg verleihen an seinen Freund in Gott, dem Erhabenen, und seinen Bruder, die starke Stütze Abû Muhammad ‘Abd al-‘Aziz ibn Abi Bakr al-Qurasi al-Mahdawi, wohnhaft in Tunis. Möge Gott, der Erhabene ihn fortwährend wohlbewahrt und mit bestem göttlichen Schutz und mit Schirmherrschaft bewacht halten. Friede sei mit dir und die Barmherzigkeit Gottes und Sein Segen.

Ich preise Dich, Gott -Es gibt keinen Gott außer Ihm und ich bitte um Segen für Seinen Propheten, unseren Herrn Muhammad, seine Familie und seine Gefährten, und Gott schenke Heil.

Der Gläubige ist der Spiegel seines Bruders
O Bruder, der aufrichtige Rat ist das Beste, was zwei Gefährten sich gegenseitig antun können und womit zwei Freunde das abendliche Gespräch bestreiten können. Selten dauert heutzutage eine Freundschaft an, die nicht auf der Basis von Schmeichelei beruht. Es ist wohlbezeugt, daß der Prophet gesagt hat: Die Wahrheit hat ‘Umar keinen Freund gelassen! Uwais al-Qarani”sagte zu einem Mann von den Murâd: «O Bruder von den Murâd, der Tod und das Gedenken seiner lassen für einen Gläubigen keine Freude übrig, das Wissen des Gläubigen um die Rechte Gottes, des Erhabenen, lassen in seinem Besitztum weder Silber noch Gold übrig, und sein Bestehen auf der Wahrheit um Gottes willen läßt für ihn keinen Freund übrig.»

Jeder Mensch nimmt den aufrichtigen Rat von einem anderen, nicht aber von sich selbst an, es sei denn, Gott, der Erhabene, verleiht ihm Erfolg. Wenn das so ist, empfindet er es als angenehm, über die Mängel seiner selbst zu hören besonders dann, o Bruder, wenn du sie in deinen geselligen Zusammenkünften allgemein, losgelöst von einer genauen Zuweisung vorbringst und es dann für dich feststeht, daß dies die Wahrheit ist. Wenn du dann zur Seele sagst: «Dich meine ich mit dieser Rede! Der Gläubige ist ja der Spiegel seines Bruders, und ich habe in dir etwas gesehen, was es für mich notwendig macht, mit dir darüber zu sprechen», dann ist die Seele hochmütig und sagt: «Gelobt sei Gott, ich bin doch nur ein Spiegel deiner selbst, auf daß du in mir sehen mögest, und einem wie mir sollte so etwas gesagt werden?» Die Seele ist nämlich blind ihren Mängeln gegenüber und sehend gegenüber den Mängeln anderer, und es führt dein aufrichtiger Rat für sie in einer einzigen Angelegenheit dazu, daß sie sich mit vielen verbotenen Dingen beschäftigt, als da sind Lüge und Heuchelei. Wie selten ist es, o mein Freund, daß der aufrichtige Ratgeber heutzutage einen aufrichtigen Freund hat! Ich habe darüber gedichtet:

Da ich dem aufrichtigen Rat und den Einzelheiten anhänge, lassen diese beiden mir unter den Menschen keinen Freund.

Beim ewigen Gott, keine Lüge habe ich ausgesprochen, und ich habe nichts gesagt, außer dem, was ich fand. Es weiß mein

Freund -möge Gott, der Erhabene, ihn andauern lassen --, dag ich während der Tage meines Aufenthalts bei ihm nur mit ständigem aufrichtigen Rat Umgang mit ihm pflegte, bis er eines Tages beim Abendessen mir gegenüber von Angesicht zu Angesicht sagte: «Du übst viel Kritik», und als Protest führte er mir gegenüber die Sache des Ibrahim ibn Adham7‘4 vor. Dann zitierte er die Worte dessen, der gesagt hat:

Das Auge der Zufriedenheit ist für jeglichen Mangel zu schwach, so Wie das Auge der Unzufriedenheit die schlechten Seiten ans Licht bringt.

Da machte ich ihm deutlich möge Gott ihm Erfolg verleihen, daß dies die Station desjenigen ist, der dich um seiner selbst willen liebt. Was aber denjenigen betrifft, der dich um deinetwillen liebt, so führt kein Weg dahin. Da nämlich Gottes Liebe für uns um unsertwillen da ist, nicht um Seiner Selbst willen, macht Er uns auf unsere Fehler aufmerksam und deckt unsere Mängel für uns auf, er führt uns hin zu den edlen Charaktereigenschaften und den löblichen Handlungen, Er macht für uns den Weg zu ihnen deutlich und erhebt für uns die Aufstiegswege. Da wir Ihn aber um unserer selbst willen lieben und nicht wirklich imstande sind, Ihn um Seinetwillen zu lieben dafür ist Er zu erhaben! -, sollen wir zufrieden das hinnehmen, was aus Ihm hervorgeht auch das, was nicht mit Unseren eigenen Zielen übereinstimmt, was unsere Seele verwirft und unsere Natur verabscheut. Der Glückliche ist der, Welcher zufrieden ist mit dem, was von Ihm, dem Erhabenen, kommt. Wer es aber nicht ist, der ist unzufrieden und zürnt. So bitten wir Gott, den Erhabenen, in dieser Sache um Vergebung und um Wohlbefinden für uns und für die Muslime.

Tugend und Schwäche

O mein Bruder möge Gott mich und dich zu den Siegreichen gehören lassen du hast in dieser deiner Zeit Eigenschaften erlangt, die ich in keinem anderen außer dir wahrnehmen kann. Dazu gehört, daß du den Rang des Wissens und derer, die es haben, kennst und daß du dich nicht ablenken läßt von Wundern und [mystischen] Zuständen.

Es gehört auch dazu, daß du dich leiten läßt von der Wahrheit, daß du ihr gegenüber demütig bist und bei ihr einkehrst, bei wem auch immer du sie findest sei es bei einem derer, die hohes Ansehen haben, oder einem derer, die nicht beachtet werden. Du schenktest deinem Rang in dieser Welt keine Beachtung wie er ausgedrückt wird in der Ehrenbezeugung der Menschen für dich, darin, daß sie deine Hand küssen und daß die Sultane an deine Tür kommen. Dies ist das äußerste an Billigkeit. Möge Gott dich und uns darin stärken!

Dazu gehört auch, daß du sagst über das, was du nicht weißt: «Ich weiß es nichti», und über das, was du weißt: «Ich möchte es gerne von einem anderen hören!» Du hast, bei Gott, diese Eigenschaften erlangt, o mein Freund; es fliegen die Hälse nach allen Seiten auseinander, bevor sie diese Eigenschaften und die Station überhaupt erreicht haben, welche durch die verschiedenen Zustände nicht verändert und durch die supererogatorischen religiösen Handlungen nicht mehr vermehrt werden kann an Trefflichkeit und an Reinheit.

Dann gehört auch dazu dein Eindringen in die Kenntnis von den Menschen und der Zeit, wie ich es von niemandem anders gesehen habe. Deine Überzeugung, daß dies zu den individuellen religiösen Pflichten zählt, gehört zum Erstaunlichsten, das die Ohren je vernommen haben, mit dem die Freunde das abendliche Gespräch zubringen und das die Reisegefährten mit sich fortführen [und verbreiten]. Alsdann gehört dazu, was Gott dir gewährt hat an Gewalt und Macht gegen die Rechts
gelehrten durch Beweise von edlen Eigenschaften und ritterlicher Mannhaftigkeit, die einherkommen mit Beweisführungen des Prophetentums.“ Was aber heutzutage die Leute deiner Zeit betrifft, o mein Freund, so ist es damit so, wie es der weise Abû ‘Abd Allah Muhammad ibn ‘Ali at-Tirmidi“ -möge Gott sich seiner erbarmen! -gesagt hat: «[Es herrscht] offenkundige Schwäche und weitläufiger Anspruch.» Das erste, was ich tat, als ich in diesem Land anlangte, war, daß ich nach den Leuten dieses beispielhaften Weges fragte. Es hätte ja sein können, daß ich unter ihnen die wohlduftende Brise des höchsten Gefährten finden würde. Ich wurde zu einer Gemeinschaft gebracht, die zusammengekommen war in einem Sufi Konvent, hoch gebaut und mit weitläufigem Vorhof. Ich bemerkte, was sie im Sinn hatten und worauf sie abzielten durch die Reinhaltung ihrer Flickenkleidung, mehr noch: ihr Zurschaustellen des Äußeren und das eitle Kämmen ihrer Bärte. Indessen behaupten sie, daß die Leute des Maghreb Leute der baqiqa" und nicht der tariqq seien, sie aber seien die Leute der ‚tariqa, nicht der haqz‘qa. Diese Rede genügt, um alles zu verderben, denn man kann nur bei der Wahrheit anlangen, nachdem man sich den Weg angeeignet hat. Der vorangestellte Imâm und herausragende Führer Abû Sulaimân ad-Dârâni -möge Gott sich seiner erbarmen! hat gesagt: «Ihnen wurde die Ankunft, das heißt die baqz‘qa, versagt durch ihre Vernachlässigung der Grundlage, welche die ‚tariqa ist. Sie haben schon sich selbst gegenüber bezeugt, daß sie der baqiqa bar sind. Das ist ihr eigenes Zeugnis darüber, daß sie sich nicht in einer ‚tariqa befinden, und ihr Zeugnis für uns darüber, daß wir uns in der baqz‘qa befinden, ist ein Zeugnis von ihnen darüber, daß uns die pariqa zu eigen ist. Dies sind zwei Unwissenheiten von ihnen, doch wissen sie es nicht.”



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