Kadem Köln e.V.

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Ibni Arabi Risalat al-Anwar "Reise zum Herrn der Macht"

Im Namen Gottes,
des Allgütigen und Allergnädigsten

LOB GEBÜHRT GOTT, DEM GEBER UND ERZEUGER DER

Vernunft, Der die geistige Überlieferung angeordnet und
eingesetzt hat. Sein ist die Gnade und die Macht. Von Ihm
kommt alle Kraft und alle Stärke. Es gibt keinen Gott
außer Ihm, dem Herrn des unermesslichen Thrones.
Mögen Gottes Friede und Segen mit dem sein, der die
Zeichen des Göttlichen Führers trägt und den Er mit dem
Licht gesandt hat, durch das Er die Menschen nach
Seinem Willen führt - und auch in die Irre führt; ebenso
wie mit dessen edler Familie und seinen reinen Gefährten
bis zum Tage des Gerichts.
Edler Freund und enger Gefährte, ich will deine Frage be-
antworten über die Reise zum Herrn der Macht (Er sei ge-
priesen!), über die Ankunft in Seiner Gegenwart und darü-
ber, wie man durch Ihn zurückkehren kann von Ihm zu
Seiner Schöpfung, ohne Ihn aber zu verlassen. Mit Sicher-
heit existiert nichts anderes als Gott, der Allerhöchste,
Seine Eigenschaften und Seine Handlungen. Alles gehört
Ihm, stammt von Ihm und bewegt sich auf Ihn zu. Würde
Er für die Dauer eines Augenzwinkerns von der Welt ge-
trennt werden, so würde die Welt in diesem Augenblick
verschwinden. Die Welt kann nur dadurch bestehen, dass
Er sie erhält und über sie wacht. Allerdings ist das Licht,
das von Seiner Erscheinung ausgeht, so gewaltig, dass es
unser Wahrnehmungsvermögen überschreitet und wir nur
Seine Schöpfung erkennen können, die Ihn verhüllt.
Ich werde zuerst die Reise beschreiben, die zu Ihm führt
(Gebe Allah den Erfolg!). Dann werde ich beschreiben, wie
es ist, wenn man bei Ihm ankommt und vor Ihm steht.
Und ich werde beschreiben, was Er sagt, wenn du auf dem
Teppich der Gottesschau sitzt. Dann beschreibe ich die
Rückkehr von Seiner Gegenwart in die Gegenwart (hfldra)
Seiner Tätigkeit. Diese Rückkehr erfolgt mit Ihm lind zu
Ihm hin. Und ich werde den Zustand des Aufgehens in
Ihm beschreiben, der weniger weitgehend ist als der Zu-
stand jener Rückkehr."

Wisse, oh edler Bruder, dass es zwar viele PElde gibt, aber
nur einen Weg der Wahrheit. Es sind nur Finzclne, die
den Weg der Wahrheit suchen. Aber obwohl der Weg der
Wahrheit nur einer ist, so hat er doch viele Gestalten je
nach den Umständen, unter denen die Menschen leben,
die ihn suchen, je nach der Stärke oder Schwachheit ihrer
geistigen Natur, der Geradheit oder Abwegigkeit ihrer
Absichten und je nach der gesunden oder krankhaften Art
ihrer Beziehung zu ihrem geistigen Ziel. Einige Sucher
haben alle jene Eigenschaften, die für den geistigen Weg
wünschenswert sind, andere wieder haben nur einige
davon. So kann es zum Beispiel sein, dass das geistige
Streben eines Menschen edel und gut ist, sein Gesund-
heitszustand aber ein Hindernis.
Und der Fall eines jeden ist diesem Prinzip unterworfen.
Ich muss hier zuerst das Wissen um die Strukturen der
einzelnen Bereiche deutlich machen und sagen, was diese
Bereiche zu bedeuten haben, wenn man sich in ihnen
befindet. Unter Bereichen (mawatin) verstehe ich die
Inhalte von Augenblicken, in denen Dinge Existenz be-
kommen und in denen die Wahrnehmung tatsächlich
stattfindet. Du musst wissen, was die Wahrheit in jedem
solchen Bereich von dir verlangt, damit du dich, ohne zu
zögern und ohne Widerstand zu leisten, beeilen kannst, ihr
zu gehorchen.?
Obwohl es viele solche Bereiche gibt, lassen sie sich alle
auf sechs grundlegende Bereiche zurückführen. Der erste
Bereich ist [der vor unserer eigenen Existenz gelegene
Bereich, in dem uns die Frage gestellt wird.] »Bin Ich nicht
dein Herrr« Unsere körperliche Existenz hat uns aus die-
sem Bereich verbannt. Der zweite Bereich ist die Welt, in
der wir jetzt sind. Der dritte Bereich ist der, durch den wir
uns in der Zeit zwischen dem kleineren und dem größeren
Tod bewegen. Der vierte Bereich ist der der Auferstehung
auf der erwachenden Erde und der Rückkehr zum Urzu-
stand. Der fünfte Bereich ist der Garten und das Feuer.
Der sechste Bereich ist die Sanddüne außerhalb des Gar-
tens. In jedem dieser Bereiche sind Plätze, die wiederum
Bereiche innerhalb der Bereiche sind. Die gesamte Vielfalt
dieser Bereiche zu überblicken, ist mit den menschlichen
Fähigkeiten allein nicht möglich."


Aus dem Englischen von Franz Langmayr
und Wolfgang Herrmann