Neuigkeiten
Zurück zur Übersicht
08.12.2016
Farid du- Din Attar Die Konferenz der Vögel/Kus Dili- Annemarie Schimmel
ZWEITES KAPITEL
Der Wiedehopf erscheint bei der Vogelversammlung und beschreibt den Simurgh
Die Vögel aller Welt versammelten sich einst, die wohlbekannten hier, und die verborgenen auch. Sie alle sagten: «Seht, in dieser unsrer Zeit gibt es kein Land, wo nicht ein Landesherrscher weilt. Warum hat unser Land denn keinen König, sagt? Wir müssen unbedingt auch einen Herrscher haben! Es dürfte richtig sein, wenn wir einander helfen und auf die Suche gehn nach einem Fürsten hoch, denn wenn eine Provinz nicht einen Herrscher hat, bleibt keine Ordnung mehr und Zucht in seinem Heer.» Dann gingen alle rasch zu einem großen Platz und kamen dichtgedrängt zur Königssuche her. Der Wiedehopf, verwirrt, erwartungsvoll das Herz, trat ohne Zögern nun in die Versammlung ein. Er trug vom Gottespfad ein Kleid auf seiner Brust, von Gotteswahrheit auch ein Krönchen auf dem Kopf; schnell von Verstehen, war er auf den Weg gekommen; von Gut und Böse war er trefflich informiert. Er sprach: «Ihr Vögel, wisst, ich bin ganz zweifellos Gesandter jenes Herrn, des Unsichtbaren Bote. Ich kam vom höchsten Herrn voll rechter Kunde her; aus eigener Natur bin ich mysterienkundig. Denn wer im Schnabel trägt das Wort «In Gottes Namen», der findet leicht gar viel Geheimnisse im Leben. Ich bring’ den ganzen Tag im Kummer hin um Ihn, und keiner hat mit mir zu tun nur das Geringste. Ich bin ja Völlig frei von der Geschöpfe Werken -so sind die Wesen auch gewisslich frei von mir.
Da ich beschäftigt bin mit Gram um jenen Herrn, hab’ niemals Kummer ich des Heeres wegen, seht! Ich finde Wasser auch aus eignem Dünken oft; ich kenn’ Geheimnisse, die niemand noch erhofft. Ich sprach mit Salomo so manch vertrautes Wort -natürlich wurde ich da wicht’ger als sein Troß. Wer sich von seinem Troß entfernt das wißt ihr doch, nach dem fragt nicht der Fürst und sucht auch nicht nach ihm. Doch als ich einen Tag dem Troß entschwunden war, ließ er gleich überall mich suchen hier und dort. Daß er nicht einen Nu mich aufgegeben hat -das ist mir Wiedehopf genug an Ruhm und Glück! Ich trug dann seinen Brief und kehrte schnell zurück; im Vorhang wurde ich Mitwisser des Geheimen; und wen je ein Prophet gesucht, gefordert hat, dem ziemt es, daß sein Haupt nun eine Krone trägt, und wessen Gott gedenkt in liebreichem Gedenken wie könnt’ ein Vogel wohl sich seinem Wege nah’n? Für Jahre wanderte durch Land und Meere ich und ging die Wege lang bis an ihr Ende hin; durch Berg und Tal ging ich, durch Schluchten und durch Wüsten, und in der Zeit der Flut ging ich durch alle Welt. Ich war mit Salomo auf seinen Reisen lange, der Erde Weite hab’ durchmessen ich gar oft. Ich habe meinen Herrn, den Fürsten, wohl erkannt doch wandte ich allein, erreiche ich Ihn nicht.
Wenn ihr jedoch mit mir die Reise unternehmt, so werdet ihr vertraut mit Ihm und Seinem Schloß. So löst euch von der Schande des Egoismus jetzt, von der Verwirrung auch der Glaubenslosigkeit! Wer seine Seele hier verspielt, der wird befreit vom Selbst, von Gut und Bös’, wenn er zum Herzlieb geht. Gebt eure Seele auf, betretet diesen Pfad, und tanzend legt das Haupt an dieser Pforte hin! Wir haben einen König, den König unbestritten, ganz fern hinter den Bergen, fern im Gebirge Qaf. Sein Name ist Simurgh, der Sultan aller Vögel; er ist uns nah, ganz nah; wir sind ihm fern, so fern! Im Heiligtum der Ehre, der Glorie ruht er aus, und keine einzige Zunge spricht seinen Namen aus. Vor ihm, da gibt es Schleier, wohl hunderttausende von Licht und auch von Dunkel, und mehr als diese noch. In beiden Welten ist kein einziger so kühn, der auch nur einen Hauch von ihm erreichen könnte:
Er, immerfort ist Er der absolute Herr, versunken ist Er tief in makelloser Größe. Wie flöge das Verständnis der Vögel wohl dorthin? Wann reicht’ Verstand und Wissen wohl dorthin, wo
Er ist?
Kein Weg zu ihm und doch, wir leiden stets voll Sehnen nach Ihm; Millionen sind voll Sehnsuchtsschmerz nach Ihm. Die reine Seele kann Ihn niemals, nie beschreiben, noch kann der Intellekt Sein Wesen je erreichen. Ja, Seele und Verstand, sie sind so ganz verwirrt, und beider Augen sind auf diesem Wege blind.
Kein Wissender sah je Seine Vollkommenheit, kein Sehender hat je die Schönheit Sein erschaut,
denn solch Vollkommenheit kann nie ein Lob beschreiben; das Wissen blieb zurück, der Blick fand keinen Weg. Der Anteil der Geschöpfe an der Vollkommenheit und Schönheit ist ja nur ein’ Handvoll Phantasie...
So viele Wüsten sind und Meere auf dem Weg o meint doch nicht, dass kurz sei dieser harte Weg!
Des Mann’s mit Löwenkraft bedarf’s auf diesem Pfade lang ist der Weg, so lang, und tobend wild das Meer!
Ach, lasset uns doch gehen, als ganz Verwirrte wandern und fallend auf dem Weg, und stehend, fallend wandern. ..
Zurück zur Übersicht
|