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07.10.2016

Farid du- Din Attar/ Die Konferenz der Vögel Teil 4/Kus Dili

Der Goldfink, murgh-e zarrzin,
soll tätig werden und wie Feuer herbeikommen und alles, Was ihm in den Weg kommt, mit seiner Glut verbrennen, aber die Augen vor dem Lob anderer schließen. Wenn er alles so verbrennt, wird Gott in jedem Augenblick Gaben herabsenden, und wenn sein Herz die Mysterien Gottes gewahrt, soll er sich dem Werk Gottes widmen, und wenn er im Werke Gottes ein «vollkommener Mann» wird, bleibt nichts mehr von ihm, und allein Gott bleibt.

‘Attar spielt hier nicht nur mit Wort-und Lautassoziationen, sondern ordnet jedem der angeredeten Vögel einen der koranischen Propheten zu, wobei die Beziehungen manchmal sehr weit hergeholt zu sein scheinen.
Daß der Wiedehopf mit Salomo verbunden ist, versteht sich von selbst; denn die Geschichte, wie er zum Boten zwischen dem mächtigen Herrscher und der Königin von Saba wurde, beruht auf Sure 27,20-40 des Korans. Da Salomo nach ihm gefragt und mit ihm gesprochen hat, trägt der Hudhud zu Recht ein Krönchen.

Die Verbindung des Finken mit Moses beruht auf dem Gleichklang mûsica- Mûsa (und mûsiqâ, <Musik>). Moses wurde durch die Erscheinung des Göttlichen im Feuer des Sinai ausgezeichnet (und bat dort: «Herr, laß mich Dich schauen», Sure 7,143); er hielt sich von Pharao fern und überwand dessen Zauberer.
Bei der Verbindung des grünen Papageis mit dem Tuba-Baum, dem Baum des Wohlgefallens im Paradies, spielt auch die Klangassoziation eine Rolle; seine Beziehung zu Abraham wird davon abgeleitet, daß dieser ruhig in Nimrods Feuer sitzt; daher weist das Grün seines Gefieders auf paradiesische Zukunft hin, während der zum Höllenfeuer gehörende rote Federhalskragen ihm nichts mehr schadet.
Warum das Rebhuhn mit dem Propheten Salih verbunden wird, ist nicht völlig klar vielleicht, weil es über Felsen trippelt, und aus dem Felsen erschien einst die «Kamelin Gottes», die zur Beglaubigung des Propheten Salih erschaffen wurde (Sure 7,73 u. a.).
Der stolze Falke scheint zu sehr dem Verstand zu folgen; er soll das Holzkreuz der Natur zerbrechen (ein häufiges Bild für die vier Elemente, aus denen sich der Geist befreien soll). Dann wird er wahrer Monotheist und bleibt dem Propheten Muhammad eng verbunden wie einst der erste Kalif Abu Bakr, der in der Nacht der Auswanderung mit Muhammad in der Höhle schlief und zum vertrauten «Freund der Höhle» wurde.
Bei der Anrufung des Frankolins spielt ‘Attar mit der urewigen Anrede Gottes an die noch nicht geschaffene Menschheit, die Er fragte: «alastu bi-mbbikum? qälü bald», «Bin Ich nicht euer Herr?» Und sie sagten: «Ja, gewiß» (Sure 7,172). Dieses bald, «ja», wurde von den Sufis gern mit bald, «Heimsuchung», verbunden, und so spielt ‘Attar hier mit diesen Bedeutungen. Der Vogel wird gemahnt, sich der Triebseele zu entledigen und sich, wie Jesus, dem reinen Geist zuzuwenden. Er soll die niederen Triebe zurücklassen, so wie Jesu Esel auf Erden zurückbleiben mußte und nicht, wie Jesus selbst, in den Himmel aufgenommen wurde.
Die Verbindung der Nachtigall mit David ist leichter zu verstehen, hatte doch David eine wundervolle Stimme, mit der er die Psalmen sang. Aber da jeder Prophet auch einen weltlichen Beruf hatte, erhielt er die Gabe, Kettenpanzer zu flechten, wobei das Eisen weich wurde wie Wachs (Sure 34,10).
Daß der Pfau mit Adam verbunden ist, läßt sich aus der Prophetenlegende verstehen: Er ließ sich betören, den zu einer kleinen Schlange gewordenen Satan im Schnabel ins Paradies zu tragen, wodurch dann Adam und Eva verführt wurden.

Der Fasan, schön wie Yusuf, soll wie eben dieser aus der Grube kommen, in der er sich noch aufhält (vgl. Sure 12,15-19).
Die Turteltaube soll den gefährlichen Fisch «Triebseele» überwinden, in dessen Innern sie unglücklich gefangen ist; sie ist also Jonas (Yunus) ähnlich, für den der Aufenthalt im Fisch zu seiner spirituellen Erfahrung wurde (Sure 37,139-148).
Die Ringeltaube trägt das «Halsband der Treue», und wenn sie dem Geliebten treu ist und keine Eigensucht zeigt, wird ihr Chidher, der unsterbliche Meister, das Lebenswasser bringen.
Der Königsfalke solle daran denken, daß er durch die Haube, die ihm das alte Weib «Welt» aufsetzt, nicht mehr Gutes und Böses, Reines und Unreines unterscheiden kann; wenn er zu sich kommt, wird sein Platz auf dem Arm Alexanders, Dhu’lu qarnains, sein. (Diese Thematik wurde fast gleichzeitig von Suhrawardi dem Meister der Erleuchtung in seinen persischen Prosaskizzen bearbeitet.) Der Goldfink schließlich wird zum Muster des vollkommenen Menschen.



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