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06.09.2016
Farid du- Din Attar Die Konferenz der Vögel (Annemarie Schimmel)
Unter ‘Attars Werken ist das <Mantiq ut-tayr> am besten bekannt. Es ist seit seiner ersten Erwähnung in Joseph von Hammers <Geschichte der schönen Redekünste Persians) und vor allem nach Garcin de Tassys Ausgabe und Übersetzung immer von neuem behandelt worden wir erwähnen nur den Briten E. Fitzgerald und den Schweden Baron Erik Hermelin -‚ bis es in den letzten Jahren im deutschen und englischen Sprachraum auch als Vorlage für Erzählungen, Hörspiele und Schauspiele gedient hat.
Das Thema ist dem des <Musîbatnâma> vergleichbar: die Sehnsucht des Menschen nach dem letzten Prinzip. Es ist eine Allegorie für die Wanderung der Seele durch die unvorstellbaren Schwierigkeiten des Pfades bis zum Ziel, das, anders als im <Musîbatnâma>‚ nicht in der Tiefe des Seelenozeans liegt, sondern in der blendenden Gegenwart des Simurgh, in dem sich die einzelnen Vögel «spiegeln» und in dem sie schließlich entwerden. Das Thema ist nicht neu Ibn-i Sina (Avicenna) hatte bereits im frühen II. Jahrhundert eine <Risâlat at-tair>, ein <Vogel-Sendschreibem verfaßt, und auch al-Ghazzali (gest.1111) ist Verfasser eines ähnlichen Werkes, das ‘Attar bekannt war. Ohnehin ist das Thema des <Seelenvogels> ja weit verbreitet, und ‘Attars Vorläufer Sana’i hat ein langes Gedicht <tasbîh at-tuyûr>‚ <Rosenkranz der Vögel>, geschrieben.
‘Attar nun hat mit großem dramatischem Talent die verschiedenen Menschentypen bildhaft in Form von allerlei Vögeln porträtiert in ihren Entschuldigungen und Behauptungen repräsentieren sie Eigenschaften der Menschen: Stolz, Hochmut, Schwäche, Angst, Verhaftetsein in irdischen Freuden jeder Leser kann sich selbst in irgendeiner Weise angesprochen fühlen. Das macht wohl auch den großen Reiz und die Anziehungskraft des Werkes aus.
Die in die Rahmenerzählung eingeschobenen Geschichten exemplifizieren die verschiedenen Anliegen des Dichters. Manchmal freilich auch wieder ähnlich wie in den anderen Epen -scheinen sie vom eigentlichen Thema etwas abzuweichen. Daß ‘Attar hier, wie auch sonst, Geschichten verwendet, die er in der <Tadhkirat al-auliya erzählt hat, ist selbstverständlich. Manchmal erscheint auch eine Geschichte in zwei verschiedenen Versionen im (Mantiq ut-tair> und im <Musîbatnâma>.
Im Zentrum der Lehrerzählungen des Hudhud steht die <Geschichte von Scheich San‘an>, «der den Rosenkranz mit dem Christengürtel vertauschte» eine Geschichte, die, wie Hellmut Ritter gezeigt hat, auch in Ibschihis (Mustatraf erzählt wird, wobei der ekstatische Sufi Schibli einer von ‘Attars wichtigen Helden als Überlieferer auftritt. Auch ein persisches Werk, <Tuhfat al-mulûk>, ist von dem Herausgeber des „Mantiq ut-tair“, Javad Mashkur, als mögliche Quelle gesehen worden. Wir haben diese Geschichte nicht übersetzt, da sie überaus detailliert ist und Stoff für eine eigene Novelle böte.
Der Hudhud beschreibt den Vögeln die sieben Täler, durch die sie ziehen müssen, um immer weiter von sich selbst, von eigenen Wünschen und Vorstellungen loszukommen. Vielleicht am gewaltigsten darunter ist das «Tal der Unbedürftigkeit» -kaum je ist die ungeheure Größe und Andersartigkeit des Göttlichen so eindrucksvoll in der persischen Poesie beschrieben worden wie in diesem Kapitel.
‘Attars Botschaft wiederholt sich immer wieder: Wenn die Absolute Liebe das Herz trifft, gibt es keinen Unterschied zwischen Glauben und Unglauben; denn, wie ‘Attars Vorläufer Sana’i schon gesagt hatte:
Glauben und Unglauben sind nur Türhüter an Seiner Pforte!
Zu dieser Pforte kann man nur gelangen, wenn man leidet, warm man willentlich den Schmerz des Sehnens auf sich nimmt, und deshalb schreibt der Dichter auch am Ende seines Werkes, man solle sich diesem nicht aus ästhetischen Interessen nahen, sondern in der Erfahrung des Leidens des Schmerzes, der am Ende selbst zum Heilmittel wird. ‚
Man sollte seine Schlußworte zu diesem Epos vor Beginn lesen und dadurch sein Leiden, aber auch seinen gerechtfertigten Stolz besser verstehen:
Erwirb dir Schmerz das ist dir Medizin die Seelenarzenei ist nur dein Schmerz!
In dies mein Buch, o Wandrer, blicke nicht, weil schön es ist und weil es ein Gedicht! Betracht’ mein Heft des Schmerzes wegen nur, damit ein wenig meinen Schmerz du glaubst! Den Ball des Glücks trägt der bis zum Palast, der nur aus Schmerz ins Auge ihn gefaßt. Verlaß Asketentum und Einfachheit du brauchst nur Schmerz, nur Schmerz und Niedrigkeit! Wer Schmerz hat, möge niemals Heilung finden; wer Medizin sucht, möge gleich verschwinden! Ein Mann ist nötig, hungrig, ohne Schlaf, ein durstiger, der Wasser nie erreicht! Wer keinen Duft von solchem Wort gefunden, der hat kein Haar vom Liebespfad gefunden; doch wer es liest, der wird zum Helden werden, und wer es findet, wird erfolgreich werden. Wer Formen sieht, versinkt in meinen Worten, doch wer den Sinn kennt, findet mein Geheimnis. Wer keinen Duft empfindet von dem Buches weiß nicht ein Haarbreit von der Wandrer Pfade!
Denn ‚dieses Buch, es ist ein Schmuck der Tage und glbt den Edlen Wie den Niedren etwas.
Sieht ein wie Eis Gefrorener dies Buch,
kommt aus den Schleiern froh wie Feuer er . . .
Ist dir’s beschieden, mehrfach es zu lesen,
wird jedesmal es besser dir gefallen:
Von dieser Braut, kokett im Schleier sitzend,
hebt sich der Schleier langsam nur und stückweis’ . . .
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